Nachhaltigkeit im Schadenmanagement

Nachhaltigkeit neu gedacht: Grünes Schadenmanagement in der Kompositversicherung

Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren als zentrales Thema etabliert – in der Gesellschaft, der Politik und zunehmend auch in der Wirtschaft. Besonders die Versicherungsbranche rückt durch die EU-Richtlinien zur Corporate Social Responsibility (CSR) in den Fokus. Die Kompositversicherung hat nun die Chance, ihre Kernkompetenz – das Schadenmanagement – als Hebel für mehr Nachhaltigkeit zu nutzen.

Regulatorische Ausgangslage: CSR und ESG

Die CSR-Richtlinie der EU verpflichtet kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden, darunter auch Versicherer, zu umfassender Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Prinzipien für nachhaltiges Versicherungsgeschäft (PSI) und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) setzen weitere Standards. Ab dem Berichtsjahr 2023 gelten verbindliche Berichtspflichten zu sechs Nachhaltigkeitszielen, darunter Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Schutz von Ökosystemen. Diese Anforderungen betreffen nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch alle Dienstleister entlang der Wertschöpfungskette – insbesondere im Schadenmanagement.

Eine junge Frau mit Brille hält ein grünes Blatt direkt vor die Kamera, während sie in einem Wald steht.

Der CO2-Fußabdruck im Schadenfall

Im Schadenfall gibt es verschiedene Regulierungsformen: von der Geldleistung bis zur aktiven Koordination der Wiederherstellung. Jede Variante verursacht unterschiedliche CO2-Emissionen. Die reine Überweisung hat zwar geringen direkten Öko-Einfluss, entzieht sich jedoch der Steuerbarkeit. Ziel eines "grünen" Schadenmanagements muss es daher sein, Emissionen aktiv zu beeinflussen – durch bewusste Auswahl der Regulierungsform und gezielte Steuerung der Dienstleister.

Erste Nachhaltigkeitseffekte durch aktives Schadenmanagement

Schon heute zeigt aktives Schadenmanagement nachhaltige Nebeneffekte:

  • Scheibenreparatur statt Austausch in der Teilkasko

  • Instandsetzung vor Ersatz bei Fahrzeugschäden

  • Reparatur von Mobiliar oder Elektronik in Haftpflicht-, Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen Diese Praktiken sind zwar primär kostengetrieben, tragen jedoch gleichzeitig zur Ressourcenschonung bei.

Die Wertschöpfungskette Schaden als Analysegrundlage

Eine strukturierte Analyse der gesamten Schadenprozesskette erlaubt die Identifikation gezielter Nachhaltigkeitspotenziale. Entscheidend ist die Fokussierung auf steuerbare CO2-Emissionen, etwa durch Auswahl der Dienstleister, Einsatz digitaler Kanäle oder Einflussnahme auf die Art der Wiederherstellung.

Schadenprävention: Die unterschätzte Disziplin

Prävention ist im Industriegeschäft etabliert, im Privatkundensegment jedoch ausbaufähig. Hier liegen große Potenziale: Fahrassistenzsysteme in der Kfz-Versicherung, Sensorik gegen Leitungswasserschäden in der Sachversicherung, oder zielgerichtete Kundenkommunikation über Risiken und Verhaltenshinweise. Ziel ist ein Kulturwandel hin zu mehr Eigenverantwortung und einem neuen Verständnis von Solidargemeinschaft.

Nachhaltigkeit erlebbar machen: Schadenmeldung und Steuerung

Bereits bei der Schadenmeldung kann Nachhaltigkeit gefördert werden: durch digitale Prozesse, papierlose Kommunikation und erste Abfrage nachhaltiger Präferenzen des Kunden. Bei der Steuerung der Dienstleister wird zukünftig deren CO2-Bilanz an Relevanz gewinnen. Fragen wie die Nutzung von Elektrofahrzeugen, Einsatz erneuerbarer Energien oder Möglichkeiten zur Videobegutachtung sollten in Auswahlkriterien übergehen.

Bearbeitung und Nachbearbeitung mit Nachhaltigkeitsoptionen

Die Schadenbearbeitung selbst bietet ebenfalls Potenziale: Der Grundsatz "Instandsetzung vor Austausch" spart Ressourcen. Weitere Optionen wie papierlose Kommunikation, Self-Services oder digitale Regressbearbeitung können CO2 reduzieren. Gesetzliche Regelungen – etwa ein Recht auf Reparatur – würden zusätzliche Impulse setzen.

Stufenmodell für nachhaltige Regulierung

Ein strategischer Ansatz ist das zweistufige Vorgehen:

  1. Transparenz schaffen: Darstellung der CO2-Emission der gewählten Regulierungsform

  2. Wahlmöglichkeiten bieten: Angebot alternativer, emissionsärmerer Regulierungswege

So kann der Kunde selbst entscheiden, welchen Weg er gehen möchte – und lernt zugleich, welche Auswirkungen seine Entscheidung auf die Umwelt hat.

Mobilitätswandel und grünes Schadenmanagement

Mobilitätskonzepte wie Carsharing, Elektromobilität und autonomes Fahren verändern das Versicherungsgeschäft grundlegend. Versicherer müssen sich über nachhaltige Kfz-Produkte differenzieren, wenn sie die Kundenschnittstelle nicht komplett besetzen. Hier kann grünes Schadenmanagement integraler Bestandteil eines innovativen Produktportfolios sein.

Impuls für die Produktentwicklung

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst in allen Altersgruppen. Nachhaltigkeit sollte daher von Beginn an Bestandteil neuer Versicherungsprodukte sein. Zielgruppen mit hohem Umweltbewusstsein werden künftig den Ton angeben. Versicherer sollten jetzt die Weichen für nachhaltige Produkt- und Vertriebsstrategien stellen.

Validierung eines Maßnahmenportfolios

Ein grünes Schadenmanagement kann durch vielfältige Maßnahmen unterstützt werden:

  • Nachhaltigkeitskriterien bei der Dienstleisterauswahl

  • Beratung zur ökologischen Wiederherstellung

  • Naturalersatz statt Geldleistung, ggf. mit zertifizierten Ersatzteilen

  • Ersatz für energetisch optimierte Wiederherstellung

  • Einsatz von ökologischen Materialien durch Handwerker

Diese Maßnahmen sollten systematisch bewertet, in die Produktwelt integriert und durch ein Nachhaltigkeitscontrolling begleitet werden.

Fazit: Grünes Schadenmanagement ist ein strategisches Muss

Nachhaltigkeit darf kein Nebenaspekt sein. Ein modernes, grünes Schadenmanagement beginnt beim Produkt, zieht sich durch die gesamte Prozesskette und endet nicht bei der Regulierung, sondern in der Kommunikation mit dem Kunden. Ob integriert ins Produkt oder als eigenständige Leistung – Versicherer müssen Nachhaltigkeit aktiv gestalten.

Fünf Schritte zur Umsetzung

  1. Standortbestimmung: Analyse der aktuellen Nachhaltigkeit im Schadenmanagement

  2. Auswahl möglicher Maßnahmen intern und extern

  3. Kundenkommunikation ausbauen

  4. Maßnahmenportfolios konzipieren und umsetzen

  5. Nachhaltigkeitscontrolling etablieren

Kompositversicherer stehen jetzt vor der Wahl: Warten – oder vorangehen. Nachhaltiges Schadenmanagement ist nicht nur regulatorisch geboten, sondern auch eine echte Chance zur Differenzierung am Markt.

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