Können Sachversicherungsprodukte als nachhaltig deklariert werden?

Nachhaltigkeit: Anspruch und Wirklichkeit im Kompositbereich

Der Wunsch, nachhaltige Versicherungsprodukte auf den Markt zu bringen, ist verständlich – und politisch wie regulatorisch gewollt. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) befürwortet explizit die Entwicklung nachhaltiger Sach- und Kompositprodukte. Gleichzeitig steht mit der Green Claims Directive der EU ein Regelwerk in Aussicht, das Greenwashing verhindern und die Transparenz von Nachhaltigkeitsversprechen fördern soll. Der Handlungsdruck steigt – doch wie realistisch ist das Label „nachhaltig“ im Kontext von Sachversicherungsprodukten?

Ein Sachversicherungsprodukt ist ein Leistungsversprechen

Ein Sachversicherungsprodukt unterscheidet sich grundlegend von einem physischen Produkt: Es ist kein Gegenstand, sondern ein Versprechen – konkret das Versprechen, im Schadenfall eine definierte Leistung zu erbringen. Dieses Leistungsversprechen bleibt im besten Fall theoretisch – und wird nur im tatsächlichen Schadenfall wirksam. Genau an diesem Punkt entscheidet sich, ob das Produkt seinem Nachhaltigkeitsanspruch überhaupt gerecht werden kann.

Nachhaltigkeit wird erst im Schadenprozess wirksam

Die Nachhaltigkeit eines Sachprodukts zeigt sich nicht beim Vertragsabschluss, sondern im Moment der Leistungserbringung. Das bedeutet: Erst im Schadenfall offenbart sich, ob das Leistungsversprechen auf nachhaltige Prozesse und Standards gestützt ist. Solange diese Nachweisführung fehlt, bleibt jede Nachhaltigkeitsaussage theoretisch – bestenfalls eine Absicht, schlimmstenfalls ein Marketingversprechen ohne Substanz.

Der Schlüssel liegt im Regulierungsprozess

Ein nachhaltiges Sachprodukt muss konsequenterweise durch einen nachhaltigen Schadenregulierungsprozess gestützt werden. Nur wenn dieser Prozess nachweislich auf Ressourcenschonung, CO₂-Reduktion, Langlebigkeit und Wiederherstellung statt Ersatz ausgelegt ist, kann das Produkt seine nachhaltige Wirkung entfalten. Entscheidend ist dabei die operative Umsetzung: Wer sind die Dienstleister, die den Schaden beheben? Welche Methoden werden eingesetzt? Wie erfolgt die Auswahl und Steuerung?

Dienstleister sind mitverantwortlich – und müssen zertifiziert sein

Nachhaltigkeit in der Schadenbearbeitung kann nicht isoliert betrachtet werden. Ein Versicherer ist auf die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit seiner Partner angewiesen – Sanierer, Handwerksbetriebe, Dienstleister. Nur wenn diese nachweislich nachhaltige Leistungen erbringen und dies durch ein unabhängiges Zertifikat belegt ist, kann das nachhaltige Leistungsversprechen eingelöst werden. Andernfalls wird Nachhaltigkeit zur Behauptung – und damit angreifbar.

Ohne Nachweis droht Greenwashing

Die Green Claims Directive bringt es auf den Punkt: Nachhaltig ist nur, was belegt und geprüft werden kann. Fehlt dieser Nachweis – insbesondere im Schadenprozess – wird ein nachhaltiges Sachprodukt zum Widerspruch in sich. Wer ein solches Produkt vermarktet, ohne die Leistungserbringung entsprechend abgesichert zu haben, riskiert nicht nur Reputationsverlust, sondern auch regulatorische Konsequenzen.

Vor Produktvertrieb: Regulierungsprozesse prüfen und zertifizieren

Es reicht nicht aus, nachhaltige Absichten zu kommunizieren. Vor der Markteinführung eines als nachhaltig deklarierten Sachprodukts muss der zugrunde liegende Regulierungsprozess systematisch auf seine ökologische Qualität geprüft und zertifiziert sein. Erst dann entsteht ein durchgängig glaubwürdiges Produktkonzept, das den Ansprüchen von Markt, Aufsicht und Kund:innen gerecht wird.

Fazit: Nachhaltigkeit braucht System – nicht nur ein Label

Ein Sachversicherungsprodukt kann nur dann als nachhaltig gelten, wenn es mehr ist als eine grüne Verpackung. Das nachhaltige Leistungsversprechen muss im Schadenprozess eingelöst werden – glaubwürdig, nachweislich, zertifiziert. Das erfordert nicht nur neue Prozesse, sondern ein systematisches Qualitätsmanagement entlang der gesamten Regulierungsstrecke. Nur dann entsteht ein echtes nachhaltiges Versicherungsprodukt – alles andere bleibt im Zweifel Greenwashing.

Mehr zur Zertifizierung der Dienstleistung von Schadendienstleistern finden Sie u.a. beim Insurance Certification Center.